Deutsches Blinden-Museum
Willkommen

Die Punktschrift zieht weite Kreise

Der Weg von der Erfindung der Punktschrift durch Louis Braille bis zur weltweiten Verbreitung ist lang und holprig. Blinde Menschen nutzten sie von Anfang an begeistert und gaben sie untereinander weiter. Einige Pädagogen an den Blindenschulen sahen dies jedoch kritisch. Sie wollten nicht, dass blinde Menschen eine Schrift erlernen, die sehende Menschen nicht lesen können. So wurde die Schrift immer wieder zeitweise verboten oder erst spät eingeführt. Für den deutschsprachigen Raum beschloss der Blindenlehrerkongress nach langer Diskussion erst im Jahre 1879 mit knapper Mehrheit, das Braille'sche System anzunehmen. Selbst nach dem Beschluss 1879 wurden die alten Schriften in manchen Schulen noch lange beibehalten. Heute ist die Punktschrift weltweit ohne Konkurrenz, für fast alle Schriftsprachen gibt es eine Umsetzung in das Braille’sche System.

Gehe zu: 1800 1850 1900 1950 2000


18. und 19. Jahrhundert

1784
Valentin Haüy gründet das erste Blindeninstitut der Welt in Paris.
1786
Das erste Buch in Blindenschrift unter Verwendung des Hochdrucks (Reliefdruck der lateinischen Blockbuchstaben) wird in Paris hergestellt.
1804
Gründung der ersten deutschsprachigen Blindenschule in Wien durch Johann Wilhelm Klein.
1806
Gründung der ersten deutschen Blindenschule in Berlin-Steglitz durch Johann August Zeune.
1809
Louis Braille wird am 4. Januar in Coupvray bei Paris geboren.
1812
Braille verletzt sich beim Spielen in der Sattlerei des Vaters mit einer Ahle das Auge.
1814
Braille ist auf beiden Augen erblindet.
1816
Braille besucht die Dorfschule in Coupvray.
1819
Braille wird in das Pariser Blindeninstitut aufgenommen.
1820
Der Offizier Charles Barbier de la Serre (1767-1841) stellt dem Blindeninstitut seine „Nachtschrift” aus 12 tastbaren Punkten vor.
1825
Braille hat die Entwicklung seines Sechs-Punkt-Alphabets abgeschlossen.
1828
Braille entwickelt die Musikschrift (Braillenotenschrift).
1829
Das Pariser Blindeninstitut veröffentlicht Brailles Musikschrift sowie sein Alphabet in Hochdruck- und Punktschrift. Das erste Buch in Brailleschrift wird in Paris mit beweglichen Lettern gedruckt.
1833
Braille schließt seine Ausbildung zum Organisten ab.
1835
Bei Louis Braille treten die ersten Symptome der Tuberkulose auf.
1843
Braille veröffentlicht die Raphigraphie, eine Punktschrift die lateinische Buchstaben nachbildete und damit für Sehende lesbar war.
1849
Die erste Druckmaschine für Punktschrift geht in Paris in Betrieb.
1850
Die Brailleschrift wird offiziell für den Unterricht an französischen Blindenschulen eingeführt.
1852
Braille stirbt am 6. Januar 1852 an Tuberkulose in Paris.
1858
Die Brailleschrift wird erstmals außerhalb Frankreichs eingeführt – in Dänemark, mit Errichtung des Blindeninstituts Kopenhagen.
1858
Johann Knie fügt seiner "Anleitung zur zweckmäßigen Behandlung blinder Kinder" in 5. Auflage ein Braille-Alphabet bei und bietet Punktschrift-Schreibtafeln zum Verkauf an.
1872
Die Berliner Blindenschule führt Punktschrift als vollgültiges Schulfach ein.
1874
Gründung der ABV als erste(r) deutsche(r) Selbsthilfeorganistaion blinder Menschen.
1878
Die Brailleschrift wird auf einem Kongress in Paris offiziell zur internationalen Blindenschrift erklärt.
1879
Der 3. Blindenlehrerkongress Berlin beschließt mit knapper Mehrheit, die Brailleschrift anzunehmen. Die Gegner des Beschlusses fechten daraufhin Zulassung und Stimmrecht einiger blinder Kongressteilnehmer an.
1885
Die „deutsche Blindenkurzschrift” wird durch den Blindenlehrerkongress angenommen
1886
Die Deutsche Reichspost erlaubt die Versendung von Schriftstücken in Punktschrift als sog. Blindensendungen mit ermäßigtem Porto.
Gründung des "Vereins zur Beförderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit der Blinden" Steglitz (heute "Blindenhilfswerk Berlin e.V.")
1888
Die erste deutsche Punktschriftdruckerei wird durch den Verein zur Förderung der Blindenbildung (Steglitz bei Berlin) eingerichtet.

20. und 21. Jahrhundert

1900
Der portugiesische Augenarzt Dr. Don Aniceto Mascaró schlug ein kombiniertes System aus Punktschrift und Schwarzschrift vor. Sehende Menschen sollten diese Punktschrift besser lesen können. Wegen seiner Schwierigkeiten beim Schreiben blieb es jedoch ohne Erfolg.
1901
Oskar Picht erhält ein Patent auf seine Punktschrift-Schreibmaschine.
1907
Der Blindenlehrerkongress Hamburg genehmigt die erste "Mathematik- und Chemieschrift für Blinde", entwickelt vom Neuwieder Direktor Schlüter.
1912
Gründung des „Reichsdeutschen Blindenverbandes” als Zusammenschluss der Selbsthilfe blinder Menschen in Deutschland.
1914
Betty Hirsch gründet mit Unterstützung von Prof. Dr. Paul Silex die Kriegsblindenschule in Berlin.
1916
Gründung der Blindenstudienanstalt Marburg,des ersten Gymnasiums für Blinde
1919
Die erste Auflage der Mathematik- und Chemieschrift erscheint in Marburg, neu erarbeitet von einer Kommission von Fachleuten.
1926
Eine Schachschrift für blinde Menschen wird entworfen.
1932
Die „Welt-Lautschrift für Blinde” erscheint.
1933
Die Blindenanstalt Berlin-Steglitz gründet die „Hitler-Jugend Bann B” und gibt in Punktschrift die Zeitschrift „Der Weckruf - Mitteilungsblatt für die Hitler-Jugend aller deutschen Blindenanstalten” heraus. Das Blatt muss zwecks Zensur auch in Schwarzschrift übersetzt werden.
1933 - 1945
Ca. 2.400-2.800 blinde Menschen werden aufgrund des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses” zwangsweise unfruchtbar gemacht. Eine unbekannte Anzahl blinder Menschen wird aufgrund jüdischer Herkunft oder zusätzlicher Behinderungen ermordet.
1945
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs leben in Deutschland 11.000 durch Krieg erblindete Menschen.
1952
Zum 100jährigen Todestag werden Brailles sterbliche Überreste in ein Ehrengrab des Pariser Panthéons verlegt.
1953
In der DDR werden Blindenschriftsendungen per Post ins In- und Ausland erstmals gebührenfrei.
1963
In der BRD wird der Postversand von Nachrichten oder Zeitungen in Punktschrift sowie Hörbüchern auf Kassette gebührenfrei.
1968
Erster automatischer Ausdruck von Punktschrift mit Computer. Unter Verwendung dieses Verfahrens wird die „Stern/ZEIT-Blindenzeitschrift” durch den Verein zur Förderung der Blindenbildung in Hannover herausgegeben.
1977
Klaus-Peter Schönherr erhält ein Patent auf das erste elektronische Punktschrift-Anzeigeelement („Braillemodul”) als Voraussetzung für die Entwicklung von Braillezeilen für Computer.
1980
Das 8-Punkt-Eurobrailleschriftsystem/Computerbraille wird entwickelt.
1986
Die Blindenorganisationen der Europäischen Gemeinschaft vereinheitlichen das 8-Punkt-Computerbraille-System unter dem Namen „Eurobraille”. Es umfasst drei Tabellen von je 256 Zeichen.
1992
Die DIN-Norm 32982 standardisiert die 8-Punkt-Brailleschrift für die Informationsverarbeitung am Computer.
1996
Die „Brailleschriftkommission der deutschsprachigen Länder” wird gegründet. Sie aktualisiert die verschiedenen Punktschriften und gibt Regelwerke heraus.
1998
Das Euro-Zeichen in der deutschen Blindenschrift wird definiert: Punkt 4 gefolgt von einem e.
2001
Kontroverse Diskussionen um die Einführung von 8-Punkt-Braille als Erstschrift für Schulkinder.
2004
Die „Mediengemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen e.V. (Medibus)“ wird gegründet. Nun können alle Punktschriftbücher im deutschsprachigen Raum online recherchiert werden.
2007
Die deutsche Norm 32976 „Blindenschrift - Anforderungen und Maße” erscheint. Gruner & Jahr stellt aus Kostengründen die „Stern/Zeit- Blindenzeitschrift” ein.
2009
Die BRD unterschreibt das Übereinkommen der UN über die Rechte behinderter Menschen. Sie verpflichtet sich damit, in öffentlich zugänglichen Gebäuden und anderen Einrichtungen Beschilderungen in Brailleschrift anzubringen sowie das Erlernen von Brailleschrift zu erleichtern.

Seitenanfang