Deutsches Blinden-Museum
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Schrift sehen und fühlen

Bevor es Schrift gab, mussten Menschen sich alles merken und ihr Wissen mündlich weitergeben. Dies ist jedoch nur in Grenzen möglich. Auf der ganzen Welt entstand so schon vor tausenden von Jahren der Wunsch, Sprache festhalten zu können. Menschen erfanden Bilder-, Zeichen- und Lautschriften in unendlicher Vielfalt. Durch Schrift können Gedanken notiert, Geschäfte dokumentiert und Nachrichten auch über weite Entfernungen und an spätere Generationen weitergegeben werden.

Schrift kann nicht nur sprachliche Informationen enthalten. Sie kann grafisch gestaltet werden. So kann ein Wort durch sein Aussehen auch Gefühle ansprechen. Es kann verspielt, romantisch, kühl oder altmodisch wirken. An Schrift, die für Menschen ohne Sehvermögen gemacht ist, stellen sich andere Anforderungen. Was sich dem Auge auf einen Blick erschließt, wird beim Lesen mit dem Finger Buchstabe für Buchstabe erfasst. Dabei spielen Größe und Form der Zeichen eine zentrale Rolle.

Seit dem 18. Jahrhundert gibt es zahlreiche Bemühungen, tastbare Schriften zu entwickeln. In Europa und den USA entstehen Blindeninstitute, um Kindern ohne Sehvermögen eine Ausbildung zu geben. Schon vor der Erfindung der Punktschrift durch Louis Braille gibt es verschiedene Blindenschriften, die jedoch eins gemeinsam haben: Sie sind überwiegend von der Schrift der Sehenden abgeleitet und mit den Fingern nur schwer zu ertasten. So fühlten sich blinde Menschen als „Leser 2. Klasse“ oder haben das Lesen erst gar nicht erlernt. Eine Chance, höhere Berufe zu erlernen, hatten blinde Menschen deshalb nicht.

Erstes Herantasten an eine Schrift für Blinde

Die ersten Blindenschriften nahmen Alphabete der Sehenden als Grundlage. Durch Prägung des Papiers entstanden tastbare Buchstabenreliefs. Viele Buchstaben fühlten sich allerdings sehr ähnlich an. Um sie mit den Fingern zu lesen, musste man sie einzeln in verschiedenen Richtungen abfahren. Das Lesen blieb so sehr mühevoll und wurde nur von wenigen blinden Menschen wirklich erlernt.

Eine stachelige Angelegenheit – Punktschrift die piekst

Die Stachelschrift wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von drei Blindenpädagogen nahezu gleichzeitig erfunden. Einer von ihnen war Johann Wilhelm Klein, Gründer der ersten deutschsprachigen Blindenschule in Wien (1804) und ein sehr einflussreicher Blindenpädagoge. Auch die Stachelschrift bestand aus lateinischen Großbuchstaben. Sie wurden mit Nadeln durch das Papier gestochen. Dieses "Schreiben" war nicht nur umständlich – auch Piekser in die Finger blieben nicht aus.

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